Besuchsbericht Familienwirtshaus Stern // Obsteig

vom 26.02.2017

Tiroler Wirtshauskultur: I schaug auf Di

Heute saß ich an der Bar im Landhotel STERN in Obststeig und trank eine der vielen hausgemachten Limonaden, die seit vorigem Jahr hier im Restaurant und im Hotel angeboten werden. Im letztjährigen Bericht hatte ich erwähnt, dass Herr Föger die Vision hatte, möglichst alles was industriell an Getränken und Lebensmitteln hergestellt wird in seinem Hause zu minimieren. Das Landhotel STERN wird nach vier Prinzipien geführt: Regional, Hausgemacht, Nachhaltig und Persönlich. Der Chef bleibt immer seiner bodenständigen und authentischen Linie treu. Das Wirtshaus STERN ist wie ein nie fertigwerdendes Kunstwerk, das mit all den Innovationen und Ideen des Chefs ständig verfeinert und verbessert wird. René ist für mich wie ein Gastronomie-Philosoph, der das Personal und die Einheimischen in seinem Gesamtwerk teilhaben lässt. Ja, jeder muss für die Natur, für die Region und für die dort lebenden Menschen Verantwortung übernehmen. Nur so kommt ein Miteinander und eine starke Gemeinschaft zusammen.
Kurz umschrieben: I schaug auf Di. Du schaugsch auf mi.
Der Chef hat das Glück, manche sehen es auch als Leid, ein historisches Gasthaus, welches eine Errungenschaft der menschlichen Zivilisation ist, in eine neue Epoche zu führen. Der STERN ist ein Ort, in dem sich der Reisende oder Urlaubende mit seinem Bedürfnis nach Speis und Trank sowie erholendem Ambiente gut aufgehoben weiß; ein Ort, wo der Einheimische die Gesellschaft seinesgleichen sucht, einfach um „z’Huangartn“. René ist mit Leib und Seele Gastwirt und Visionär, dabei möchte ich wohl den berühmtesten Tiroler Gastwirt, Revoluzzer bzw. Freiheitsheld Andreas Hofer erwähnen, der ja auch nicht umsonst Gastwirt war.
So sehe ich also das Gasthaus in vielerlei Hinsicht als ein prägendes Element des menschlichen Zusammenlebens. Das gemeinsame Essen und Trinken unter einem Dach, oder Keschtnbam wie hier im STERN, Wesensmerkmale des familiären Zusammenhalts, von der Tauffeier über Hochzeiten bis hin zum Leichenschmaus werden im Gasthaus öffentlich und erhalten dadurch eine besondere Bedeutung im sozialen Gefüge jedes Gemeinwesens. Das Wirtshaus wird dadurch zu einem wichtigen Element der Tiroler (Obsteiger) Kulturgeschichte. Renés positive Einstellung ist ansteckend und sehr motivierend, aber wir beide wissen, dass dies nur mit harter Arbeit, großer Ausdauer und viel Geduld zu verwirklichen ist.


Kulinarisches und Service:
Aus der regionalen Wirtshauskarte erbat ich mir vom freundlichen Kellner, der mir schon letztes Jahr sehr positiv aufgefallen ist, ein kleines Gulasch mit rahmiger Polenta. Das Fleisch von ausgezeichneter Qualität war zart und perfekt gegart. Die Soße war schön sämig und hatte einen feinen runden Abgang. Das Rezept stammt wohl nicht aus einem sehr alten Tiroler Kochbuch, denn nach meiner Erfahrung wurde in den alten Zeiten nicht soviel mit dem damals teuren edelsüßen Paprikapulver gekocht. Die fein cremige Polenta war auch köstlich im Geschmack und harmonierte gut mit dem Gulasch.
Das Service war professionell, aber trotzdem cool und leger und kam bei den Gästen ausgezeichnet an. Die gemütlichen, urigen Stuben waren wie immer an einem Sonntagmittag voll besetzt, jedoch kam nie Hektik oder Stress auf.
Fazit:
„Ein Leben ohne Feste ist wie ein langer Weg ohne Wirtshäuser!“
Dieser Spruch passt ein wenig zum Wirtshaus STERN, denn er liegt am langen Weg über den Fernpass. Hier würd ich allen empfehlen, eine Pause zu machen, um dem Körper und Geist etwas Gutes zu tun.
Obsteig, 26.Feber 2017
Johann Pichler

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