Besuchsbericht Wirtshaus zum Wiesejaggl // Kaunerberg
vom 15.01.2020
Traditionelles, hartes, aber schönes Landleben
Die Wirtshausbesuche im Bezirk Landeck sind immer besonders spannend und attraktiv, denn manchmal habe ich das Gefühl, dass es ein bisschen Konkurrenzdenken zwischen den Ortschaften gibt. Besser wäre ein Miteinander anstatt nur Mitbewerber zu sehen. Ein Grund dafür könnten die vielen unterschiedlichen Strukturen in diesem Wirtschaftsraum sein. Einerseits existieren die geradezu glamourösen, weltberühmten Tourismus-Hochburgen Ischgl, Serfaus-Fiss-Ladis und der Arlberg. Andererseits bestehen noch die typischen kleinstrukturierten Landwirtschaften und „langsamerer“ Tourismus, die teilweise um ihre Existenz kämpfen. Kleine landwirtschaftliche Betriebe versuchen mit bestem Wissen, hohe Qualität darzubieten.
Die internationale Lebensmitteindustrie, Hoteliers, Restaurantbesitzer, Einzel- und Großhandel stehen im ständigen Preiskampf. Kleine Tiroler Wirtshäuser müssen schauen wie sie über die Runden kommen und die Gastronomen in den reichen Gebieten planen schon wieder einen Umbau von dem, was sie erst vor 5 Jahren neu gebaut haben.
An dieser Stelle empfehle ich die Rede des diesjährigen Oscar-Preisträgers Joaquin Phönix anzuhören, denn sie war sehr inspirierend: „Es geht immer um den Kampf der Ungerechtigkeit.“ Umgelegt auf die Situation der Tiroler Traditionsgasthäuser, sollte sich jeder den Gegebenheiten und der Natur anpassen so wie es schon vor Jahrhunderten war. Natürlich kommt es vor, dass manche sich das Recht nehmen, andere zu beherrschen, zu kontrollieren oder sogar auszubeuten. Manche haben schon ein egozentrisches Weltbild und Angst sich ändern oder etwas aufgeben zu müssen. Aber ich bin auch positiv gestimmt für diese Region, denn die Menschen sind erfinderisch, kreativ, klug und werden mit den Herausforderungen wachsen und dazulernen. Sie werden eine gemeinsame Veränderung schaffen, Veränderung, die allen, auch der Natur und Umwelt hilft.
Und was machen regionale Politik und Behörden? Sie scheren alles über einen Kamm nach dem Motto „der Stärkere überlebt“, wie in der freien Natur. Der Große und der Kleine, der Starke und der Schwache. Dabei sollten gerade sie den Ausgleich, die Gemeinsamkeit und Gerechtigkeit am stärksten fördern.
Der Grund dieser langen Vorgeschichte ist Tanja, die Wirtin vom Wirtshaus zum Wiesejaggl in Kaunerberg. Sie verkörpert bodenständige, echte Leidenschaft für Tradition, Gastfreundschaft und Regionalität. Sie ist eine dieser authentischen Kämpferinnen, die die Wirtshauskultur so wie damals an den berühmten Seiden-oder Salzstraßen noch lebt. Es sind nur andere Zeiten, in denen Touristen oder Ausflügler durch die Straßen fahren, um sich die Schönheit unseres Landes anzusehen oder die Berge und Almen abzuwandern. Hier im Wirtshaus Wiesejaggl machen viel eine Rast um sich zu stärken. Bei Tanja sind natürlich ebenso viele Einheimische, denn wo Einheimische sind, isst man immer gut, das wissen auch die Gäste schon.
Tanjas Sonnenterasse ist mein Lieblingsplatz, denn von hier aus sieht man das gesamte Obere G’richt und ganz besonders die Region Sefaus-Fiss-Ladis gegenüber. Wir genießen die Aussicht und schauen hinüber zu den Fissern, wo die großen Après-Ski Partys gerade voll im Gange sind. Wir genossen hingegen die Ruhe, den Wein, das Essen (ein echtes super gutes Schlamperkraut) und den ungezwungenen „huangart“ bis die letzten Sonnenstrahlen uns verlassen hatten. Im Inneren des sehr liebevoll eingerichteten Lokals am Stammtisch mit den Einheimischen (die von der Arbeit direkt hierher kommen, bevor sie nach Hause gehen) esse ich noch einen exzellenten hausgemachten Apfelstrudel zu meinem Kaffee bevor es wieder den Kaunerberg hinunter ins dunkle Inntal geht.
Es beeindruckt mich sehr, wie Tanja den Laden hier oben mit wenigen Mitarbeitern so toll schaukelt. Den Küchenmitarbeiter muss ich noch erwähnen. Er ist einer von 4 oder 5 Nepalesen, die in Tirol eine Anstellung im Gastgewerbe haben. Tanja spricht nur Gutes über ihn und bald wird er es sein, der Tiroler Knödel und Kaiserschmarrn im Wiesejaggl für die Gäste kocht. Jeder Wirt ist wohl so ziemlich auf sich alleine gestellt mit den momentanen Mitarbeiterproblem in Tirol.
Auf alle Fälle wünsche ich Tanja weiterhin viel Freude und Erfolg mit ihrer Aufgabe als Tiroler Wirtshauswirtin.
Kaunerberg, 15.01.2020
Johann Pichler